Viele deutsche Staatsangehörige leben oder arbeiten in den Niederlanden oder sie haben dort Vermögen, insbesondere Ferienhäuser. Wir wollen uns deswegen in diesem Beitrag mit wichtigen Eckpunkten des niederländischen Erbrechts und Erbschaftsteuerrechts befassen. Wann sind diese für deutsche Staatsangehörige anwendbar? Welche Besonderheiten gibt es im Vergleich zu Deutschland? Unter welchen Umständen muss niederländische Erbschaftsteuer gezahlt werden und auf welches Vermögen? Welche Fallstricke sollte man im Auge behalten?
Diese Frage wird durch europäische Rechtsverordnungen geregelt, die sogenannte Rom-IV-Verordnung. Diese bestimmt seit dem 15.08.2015, dass unabhängig von der Nationalität des Erblassers oder Schenkers das Recht desjenigen Staates Anwendung findet, in dem der Erblasser oder Schenker zuletzt seinen Lebensmittelpunkt hatte. Der Begriff des Lebensmittelpunktes wird auch für erbschaftsteuerliche Zuständigkeitsfragen von Bedeutung sein. Darum ist es wichtig, dass wir uns bereits jetzt mit seinem Gehalt vertraut machen.
Dies ist nicht notwendigerweise der Ort, an dem sich der Erblasser oder Schenker vor der Schenkung oder seinem Ableben zuletzt aufgehalten hat. Vielmehr handelt es sich um einen Ort, der das Zentrum der sozialen Lebensbeziehungen des Erblassers bildete.
Dabei ist nicht von Bedeutung, wie viele Tage im Jahr sich der Erblasser oder Schenker dort aufgehalten hat, sondern, ob es sich um den Ort handelt, an den er immer wieder zurückkehrt und von dem aus er sein Leben gestaltet.
Insbesondere ältere Mitbürger, die längere Zeit in den Niederlanden verbleiben, dort zum Arzt gehen oder sogar noch in einem Verein Mitglied sind und nur an den hohen Feiertagen oder zwischendurch ab und an einmal nach Deutschland zurückkehren, laufen Gefahr, dass die Niederlande ihr Lebensmittelpunkt werden.
Auch sogenannte Grenzarbeiter gehen in bestimmten Konstellationen dieses Risiko ein.
Dazu gibt es natürlich noch die große Gruppe der Personen, die sich entschlossen hat, dauerhaft oder vorübergehend, für die Dauer eines befristeten Beschäftigungsverhältnisses, in den Niederlanden zu wohnen.
Es gibt wie in Deutschland die gesetzliche Erbfolge, "versterf" genannt, und die gewillkürte Erbfolge, die sogenannte "uiterste wilsbeschikking".
Wie in Deutschland auch wird nach Ordnungen vererbt. Erben erster Ordnung sind der Ehegatte des Erblassers und die gemeinsamen Kinder bzw. dessen Kinder aus einer anderen Beziehung. Sofern nichts anderes durch das Testament geregelt ist, erben die Erben gleicher Ordnung zu gleichen Teilen. Es gibt demgemäß kein erhöhtes Erbrecht des Ehegatten oder der Kinder.
Kinder die lediglich Abkömmlinge des Erblassers, nicht aber von dessen Ehegatten sind, erben nur die Hälfte des vorgenannten gesetzlichen Erbteils.
Die, wie zuvor dargestellt, entstehende Erbengemeinschaft aus Ehegatte und Kindern folgt allerdings gänzlich anderen Regelungen der Vermögensverteilung, als wir dies in Deutschland gewohnt sind. Der überlebende Ehegatte erhält den gesamten Nachlass, die miterbenden Kinder bekommen lediglich einen Geldanspruch in Höhe ihres Erbteils, der allerdings erst beim Konkurs des überlebenden Elternteils oder bei dessen Ableben fällig wird.
Damit ist durch gesetzliche Erbfolge gesichert, dass der überlebende Ehegatte sich nicht mit den Abkömmlingen um den Nachlass streiten muss.
Bei der gewillkürten Erbfolge gibt es zwei gravierende Unterschiede zum deutschen Recht.
Das Mehrpersonen-Testament, das wir insbesondere in der Ausgestaltung des Ehegattentestaments kennen, ist in den Niederlanden verboten.
Auch bei den Formerfordernissen gibt es Unterschiede. In der Regel ist nur ein vom Notar aufgestelltes Testament formsicher. Zwar reicht auch ein privat aufgestelltes Testament, dieses muss jedoch dem Notar zur Aufbewahrung gegeben werden, wobei er die Verwahrung dadurch vornimmt, dass er eine sogenannte notarielle Akte aufstellt. Das in Deutschland häufig noch in der Schublade des Erblassers gefundene privat schriftliche Testament ist deswegen in den Niederlanden regelmäßig nicht rechtsgültig.
Im Rahmen unserer heutigen Darstellung wollen wir schließlich, was das Zivilrecht betrifft, noch den Pflichtteil kurz erwähnen. Dieser ist inhaltlich ähnlich geregelt wie in Deutschland. Es handelt sich um einen Anspruch auf die Hälfte des gesetzlichen Erbteils für Personen, denen der Pflichtteil von Gesetzes wegen zusteht und die vom Erbteil ausgeschlossen sind. Der Pflichtteilsanspruch kann frühestens sechs Monate nach dem Todesfall des Erblassers bei den Erben geltend gemacht werden.
Zuerst stellt sich die Frage nach dem Steuertatbestand, das heißt, welche Vorgänge werden mit der niederländischen Erbschaftsteuer belegt. Besteuert wird der Nachlass des Erblassers, der zum Zeitpunkt seines Todes in den Niederlanden gewohnt hat, bzw. die Schenkung des Schenkers, der zum Zeitpunkt der Bewirkung der Schenkung in den Niederlanden gewohnt hat. Dabei ist der Begriff „wohnen“ bedeutungsgleich mit dem bereits oben ausgelegten Begriff „Lebensmittelpunktes innehaben“ (Mehr Informationen zu den verschiedenen Fallgruppen und Konstellationen, die bei deutsch-niederländischen Erbangelegenheiten möglich sind).
Die sogenannte beschränkte Steuerpflicht für deutsche Staatsbürger ohne Wohnsitz in den Niederlanden, die das "recht van overgang" zum Gegenstand hatte, ist seit 2010 abgeschafft. Das heißt, die Besteuerung der Vererbung von Ferienhäusern und sonstigen Vermögensgegenständen, die in den Niederlanden liegen, bzw. dort zugeordnet sind, findet nur noch für Erbfälle und Schenkungen Platz, die vor dem Kalenderjahr 2010 geschahen. Wohnt der Erblasser oder Schenker allerdings zum Zeitpunkt seines Todes oder der Bewirkung der Schenkung in den Niederlanden oder hat dort gewohnt, bleibt es bei den vorherigen Ausführungen.
An dieser Stelle dürfen wir auch noch auf eine große Steuerfalle hinweisen. Wer in den Niederlanden gewohnt hat, dort wegzieht und innerhalb von zehn Jahren seit dem Wegzug stirbt, hat weiterhin niederländische Erbschaftsteuer auf seinen Nachlass zu entrichten. Diese nachwirkende Erbschaftsteuerpflicht kann dann neben die neue Erbschaftsteuerpflicht des weggezogenen Niederländers in seinem neuen Wohnsitzstaat treten.
Wir wollen uns jetzt mit der Frage befassen, was Gegenstand des mit Erbschaftsteuer belasteten Vermögens ist. Es handelt sich um das sogenannte Weltvermögen. Diese Regelung korrespondiert mit den im deutschen Erbschaftsteuerrecht für unbeschränkt Steuerpflichtige existierenden Bestimmungen.
Die Bewertung des Weltvermögens, das sich aus dem niederländischen Inlandsvermögen und dem Auslandsvermögen zusammensetzt, geschieht mit dem Verkehrswert. Auch diese Regelung entspricht der deutschen Bestimmung der Bewertung mit dem gemeinen Wert.
Im Jahr 2021 beträgt der Steuerfreibetrag des Ehegatten 671.910 €. Der Freibetrag der Kinder beträgt 21.282 €. Haben die Kinder vom Erblasser durch letztwillige Verfügung mehr erhalten und wollen damit bestimmte Zwecke verfolgen, wie etwa die Finanzierung des Studiums oder den Bau oder den Kauf einer ersten eigenen Wohnung, können sie gegebenenfalls auch höhere Freibeträge in Anspruch nehmen.
Der Steuertarif der Niederlande kennt lediglich zwei Stufen. Kinder und der Ehegatte des Erblassers müssen für Beträge bis 128.751 € einen Tarif von 10% zahlen. Darüber hinaus sind 20 % geschuldet.
Das niederländische Recht unterscheidet sich nicht gänzlich von den deutschen Bestimmungen, aber es kommt in wichtigen wirtschaftlichen Bereichen zu ganz anderen Lösungen, als wir dies aus Deutschland gewohnt sind. Es ist deswegen fahrlässig, ohne vorherige Prüfung seinen Lebensmittelpunkt bewusst oder unbewusst von Deutschland in die Niederlande zu verlegen.
Wir sind Ihnen gerne bei einer Analyse der Folgen eines möglichen Wegzugs in die Niederlande behilflich und stellen darüber hinaus Optionen zur Vermeidung von wirtschaftlichen und steuerlichen Schäden vor.
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